Jost Braun
Texte zum Werk

Volker Zschäckel: Jost Alexander Braun

Jost Alexander Braun

Jost Braun gehört zu jenen jungen Malern unseres Landes, die gleich nach Beendigung ihres Studiums auf sich aufmerksam machten. Bei ihm war es vor allem die Ausstellung "Junge Künstler der DDR" 1980 in Frankfurt (Oder), auf der er sich erstmals einem breiten Publikum ins Bewußtsein gebracht hat. Seitdem konnte man seine Arbeiten immer wieder in kleineren oder größeren Ausstellungen sehen, eine erste Personalschau richtete ihm "klub & galerie nord" Leipzig bereits 1982 ein. Auffallend war, daß Jost Braun auch frühe Arbeiten zeigte. Auch hier verzichtet er nicht darauf, bekennt sich also zu seiner Entwicklung.

Auch und gerade für den Künstler gilt, sich mit gesellschaftlichen und individuellen Prozessen auseinanderzusetzen, auf sie zu reagieren und sich an ihnen schöpferisch zu beteiligen. Jost Braun ist davon nicht ausgenommen, versteht sich als Teil seiner Umwelt und formuliert seine Erfahrungen und Erkenntnisse gemäß seiner Weitsicht und Lebenshaltung. Dabei erweist er sich keinesfalls als der abgeklärte, auf Distanz stehende, kühle Beobachter, wie es etwa auf den ersten Blick aus seinen Arbeiten hervorgehen könnte. Denn mit dem Filtern der Realität bis zu der ihm und seiner Absicht gemäßen Szenerie versucht er lediglich sein Thema auf den Punkt zu bringen. Intensität erhalten die Bilder durch gedankliche und künstlerische Verdichtung. Alles überflüssige, Ablenkende wird ebenso weggelassen, wie auf spektakuläre Kompositionen verzichtet wird. Die Personage kann von der Einzelfigur bis zur Gruppe, die Raumtiefe vom betrachternahen Abstand bis zur horizontweiten Bildinszenierung reichen. Jost Braun bevorzugt für seine Malerei eine klare Bildsprache: präzise Zeichnung, intensive Farbigkeit, helles Licht, sämtlich Faktoren, die es dem Betrachter scheinbar jedenfalls - leicht machen, sich in seine Bilder hineinzusehen. Das aber ist Methode, denn man begreift sehr schnell, daß hier die Bildinhalte weit über die optisch erfaßbare Bildwelt hinausgehen. Jost Braun provoziert diesen Erkenntnissprung mit der Einführung eines lrritationsmomentes. Die Verfremdung entsteht dabei durch das ungewöhnliche Zusammenführen von Wirklichkeitsdetails und im dialektischen Umgang mit Widersprüchlichem. So etwa in den Slowakei-Bildern, in denen er trachtenbekleidete Menschen, Musikinstrumente tragend, in eine Hochgebirgslandschaft fügte. Oder in der ersten Fassung des "Ikarus": hier ist es zum Beispiel das Einbeziehen einer historischen Figur in das Geschehen, denn im Hintergrund sieht man, ganz klein und unscheinbar eigentlich, auf einer sich von links ins Bild schiebenden Bergkette, Otto Lilienthal stehen. Einer, der sich nicht nur ob seiner kühnen Ideen bewundern (oder verspotten) ließ, sondern Neues erprobte, gedanklich als möglich Erkanntes in die Tat umzusetzen wußte. Das bleibt bei der Zentralfigur offen, und die Beurteilung, inwieweit deren Bemühungen von Erfolg gekrönt sein werden, wird dem Betrachter übertragen.

Neben der Malerei dürfen die Zeichnung und die Druckgraphik nicht unerwähnt bleiben, beide gehören gleichberechtigt zu Jost Brauns Schaffen. In der Graphik bevorzugt er die Lithographie, präziser: die Kreidelithographie. In dieser Technik entstanden wohl seine schönsten Blätter, wie die zu der begonnenen Folge "Frühling", die "Münchhausensche Kanonenkugel" oder der "Vogelbaum". Immer zeigen sich diese Arbeiten in der Ausgewogenheit von zeichnerischer Präzision und malerischer Auffassung in den Grauwerten. Somit erscheint die Kopplung von Strich- und Flächenätzung (Aquatinta) im Tiefdruck geradezu logisch. Verwiesen sei hier auf eine ebenfalls begonnene Folge mit dem Titel "Alte Häuser", die man als eine Art Gegenstück zur Frühlingsfolge ansehen kann.

Es geht in den Blättern nicht um Jahreszeitliches oder Architektonisches, vielmehr deutet Jost Braun die Begriffe sinnbildhaft auf menschliche Befindlichkeit um. Diese kann sich in ganz Persönlichem (Schwangere, Julius im Hof - "Frühling", Blatt 2 und 3) ebenso äußern, wie in solch allgemeingültigen, Vergänglichkeit assoziierenden Symbolen, wie es die morbiden Architekturen der "Alten Häuser" darstellen. Oder es wird die Bedrohung menschlichen Glücks, gemeinsamer Hoffnung auf ein gutes Leben durch einen möglichen Krieg versinnbildlicht ("Frühling 1914"). Der Kontext beider Folgen wird deutlich: der Vergänglichkeit, der Gefährdung und Bedrohung stehen Schönheit, Poesie und Hoffnung gegenüber.

Bliebe die Zeichnung. Man nimmt sich ihr in unserer Zeit leider viel zu wenig an. Meist bleibt es bei der bildhaften Notierung von Erlebnissen oder der vorbereitenden Skizze für die graphische beziehungsweise malerische Umsetzung. Beides findet sich natürlich auch bei Jost, Braun, daneben aber keine geringe Zahl bis zur eigenständigen Zeichnung durchgearbeiteter Blätter. Oft sind es Porträts - Freunde oder Bekannte - die er gezeichnet hat, auch manch zufällige Begegnung wurde so festgehalten. Immer spürte Jost Braun der Individualität seines Gegenübers nach und versuchte, es mit sparsamen Akzentuierungen zu charakterisieren.

Gute Porträts findet man auch in der Malerei, zu nennen wären das "Bildnis des Setzers Walter Hofmann" oder "Julius". Hier scheint sich ein wichtiges Thema für ihn herauszukristallisieren, ohne daß sich Jost Braun in dieser Richtung eingrenzen will, so, wie er sein Schaffen auch längst nicht auf die für einen Maler traditionellen Ausdrucksformen beschränkt. Versuche, in Neuland vorzudringen, seinen Aktionskreis zu erweitern und damit andere, vielleicht größere Wirkung zu erzielen, sind ihm wichtig. Dabei drängt es ihn neben seiner spezifischen Arbeit auch nach kollektiven Aufgaben, mit denen ein möglichst großes Publikum erreicht werden kann. Ergebnisse in dieser Hinsicht liegen vor: Illustrationen zu einem Kochbuch für Kinder, die Bemalung einer Trafo-Station in Leipzig-Grünau sowie eine Gemeinschaftsarbeit mit Puppenspielern, bei der sich Jost Braun nicht nur als Stückautor betätigte, sondern auch die Bühne und die Puppen schuf, sich somit einen Wunsch erfüllend, der seine Liebe zum Theater entsprang.

Bei den Bemühungen, sich zu erproben, kann es zur zeitweiligen Bevorzugung der einen oder anderen künstlerischen Ausdrucksform kommen - Jost Braun betrachtet sich längst nicht als fertigen Künstler, auch in seiner Malerei nicht, so gefestigt sie auch erscheinen mag. Seine letzten Bilder lassen eine Veränderung erkennen den Trend zur stärkeren Verallgemeinerung, am deutlichsten im "Kain und Abel"-Bild zu sehen. Formale Änderungen in der Bildsprache leiten sich zwingend daraus nicht ab. Doch jede Prognose kann von der bildgewordenen Phantasie des Malers nur zu schnell ad absurdum geführt werden.

Volker Zschäckel

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