Jost Braun
Texte zum Werk

Zur Fassadenmalerei in der Leipziger Max-Beckmann-Strasse

Zur Fassadenmalerei in der Leipziger Max-Beckmann-Straße

Vom Leipziger Büro für architekturbezogerie Kunst bekam ich die Aufgabe, für das Haus Nr. 1 in der Max-Beckmann-Straße, ehemals Alexanderstraße, eine Fassadenmalerei zu entwerfen und auszuführen. Dabei sollte die fragmentarisch vorhandene Dekoration aus der Gründerzeit berücksichtigt und die neue Bemalung dem Baustil des Gebäudes angepaßt werden.

Das Haus Nr. 1, einst Nebengebäude eines nicht mehr vorhandenen Wohnhauses, war gegen 1875/80 ein Wagenschuppen, dann 1888/90 Werkstatt eines Malermeisters. Der Umbau zu dem noch heute vorhandenen Gebäude wurde 1896 für den Dekorationsmaler Triebe vorgenommen. Im neuen Obergeschoß konnte ein Dekorationsatelier eingerichtet werden. Aus dieser Zeit stammte auch die alte Fassadenbemalung. Die Darstellungen allegorischer Frauengestalten in stolzer Pose mit Schild und Schwert, die Wappen und Sprüche atmeten noch wilhelminisch-gründerzeitlichen Geist. In der aus Musterbüchern und Dekorationsvorlagen zusammengestellten Ornamentik waren schon leichte Anklänge des Jugendstils zu spüren. Alles war sehr grob und kernig, ganz im Sinne der alten, protzig-deutschen Zeit, und sollte die Pracht und die Herrlichkeit deutscher Kunst und deutscher Wissenschaft im Habitus der Burschenschaft verdeutlichen: Der Kunst zum Ruhm! Des Geistes Stärke! Der große Raum des Malermeisters wurde wohl weniger zum Anfertigen von Dekorationen genutzt als vielmehr für Versammlungen einer Religionsgemeinschaft, eines Jungfrauenvereins und vor allem bis etwa 1930 als Fechtsaal.

Bei der Rekonstruktion des Gebäudes ist es leider zu einigen Veränderungen im äußeren Erscheinungsbild gekommen. Die im Entwurf festgehaltene und mit dem Baubetrieb vereinbarte Wiederherstellung der ursprünglichen Architektur einschließlich der Attika mit krönenden Steinvasen, der Sandsteinsimse und Fensterbänke wurde nicht oder nur mangelhaft realisiert.

Für meine Fassadenmalerei, die im Jahre 1987 fertiggestellt wurde, habe ich Teile der alten Ornamentik, die Anordnung der Figuren und gewisse Stilmittel, überhaupt das alte Formklima übernommen. Inhaltlich orientiert sich das Bild an dem bereits genannten alten Thema, die Kunst und die Wissenschaft betreffend, aber es wurde versucht, dieser Sache aus heutiger Sicht mit Heiterkeit zu begegnen und ihr die ehemalige Schwere, das falsche Pathos und den billigen Prunk zu nehmen. Es wird gezeigt, wie der schöpferische Mensch mit Hilfe seines Wissens und Kraft seiner künstlerischen Phantasie die irdische Schwere überwinden kann. Er überwindet seine Natur, indem er sich entwickelt. Aus dem Wurm wird ein Schmetterling, der Fisch beginnt zu fliegen. Und alles spielt in Leipzig, der Stadt der Universität, der Musik, des Buches, der Künste und des Sports.

Jost Braun




Arbeit an der Fassadenmalerei in der
Leipziger Max-Beckmann-Straße

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